Stabilisationstraining

Bedeutung des Stabilitätstrainings

Seit längerem wird Stabilitätstraining sowohl in der Verletzungsprophylaxe, als auch in der Rehabilitation nach Verletzungen eingesetzt.  Nicht nur im Training von Athleten lassen sich Stabilitätsübungen finden, mittlerweile werden auch häufig im Breitensport (Willardson 2007), wie zum Beispiel in Fitnesskursen, Elemente dieses Trainings übernommen. Ein Beispiel hierfür ist die Vielzahl der TRX-Kurse, in denen die Instabilität des Geräts für die Aktivierung der stabilisierenden Muskeln genutzt wird. Oft wird hierbei allerdings der genaue Nutzen der einzelnen Übungen nicht hinterfragt.

Drei mögliche Argumente für die Durchführung eines solchen Trainings sind zu einem die Verletzungsprävention, als auch die Steigerung der sportlichen Leistungen und der positive Nutzen für die Rehabilitation nach einer Verletzung.

Verletzungsprävention

Stabilitätstraining ist ein häufiger Bestandteil der Verletzungsprävention. Rumpfmuskelaktivität geht in der Regel der Bewegung der unteren Extremitäten voraus (Zazulak, Cholewicki & Reeves 2008). Diverse Studien haben einen Zusammenhang in der neuronalen Ansteuerung der Rumpfmuskulatur und Schmerzen im unteren Rücken belegt. Bei den Patienten mit Schmerzen wurden Abweichungen in der Rekrutierung der lokal stabilisierenden Core-Muskulatur gefunden (Huxel Bliven & Anderson 2013). Des Weiteren ist ein Zusammenhang zwischen der Rumpfmuskelkontrolle und Verletzungen in einigen Studien gefunden worden (Zazulak, Cholewicki & Reeves 2008). Bei Athleten ist eine Kombination von Faktoren die mit Rumpfkontrolle in Beziehung stehen sehr prädiktiv für Verletzungen am Rücken und der unteren Extremitäten (Zazulak, Cholewicki & Reeves 2008). Hieraus könnte man schlussfolgern, dass eine schlechte Core-Stabilität mit Verletzungen einhergehen kann. Definitive Evidenz hierfür fehlt allerdings noch (Huxel Bliven & Anderson 2013).   Präventionsprogramme mit mehreren verschiedenen Ansätzen scheinen effektiv in der Verletzungsprophylaxe zu sein. Übungsprogramme sollten sowohl die neuromuskuläre Kontrolle, als auch die statische und dynamische Stabilisation trainieren (Huxel Bliven & Anderson 2013).

Leistungssteigerung

Eine weitere These um Stabilitätstraining, insbesondere mit Athleten durchzuführen, ist eine dadurch erhoffte Leistungssteigerung. Rumpfkrafttraining ist mittlerweile fester Bestandteil des Trainingsprogrammes von fast jeden Athleten. In ihrem systematischen Review kommen Reed, Ford, Myer und Hewett (2012) zu der Schlussfolgerung, dass Rumpfstabilitätstraining geringe Verbesserung der athletischen Leistungsfähigkeit bringen könnte, da einige Studien einen positiven Zusammenhang gefunden haben. Allerdings ist in diesem Themenbereich die Standardisierung der Messungen und die teilweise sehr unterschiedlichen Trainings ein möglicher Störfaktor. Zudem kommt, dass Stabilitätsübungen meist zusammen mit anderen Übungen trainiert werden, dies erschwert ebenfalls den Rückschluss auf die Vorteile des Stabilitätstrainings. Mehr Rumpfstabilität bietet die Möglichkeit einer höheren Kraftentwicklung in den Extremitäten, hiervon können Athleten profitieren (Willardson 2007). Daher empfiehlt Willardson (2007) auch, dass Core-Stabilitätstraining Teil jedes Sportprogramms sein sollte, vor allem da Sport meist auch in instabilen Körperpositionen ausgeführt wird.  Zazulak, Cholewicki und Reeves (2008) kommen zu dem Schluss, dass starke Instabilität die sportliche Leistung negativ beeinflussen kann. Aber auch hier ist die Evidenz für einen Vorteil des Stabilitätstrainings für Athleten noch nicht vollständig belegt und als stark zu bezeichnen.

Rehabilitation nach Verletzung

Ähnlich der Zielsetzung des Trainings der Verletzungsprävention ist die der Rehabilitation. In einigen Studien konnte die Effektivität von Rumpfstabilitätstraining für untrainierte Personen oder verletzte Athleten in der Rehabilitation gezeigt werden (Willardson 2007). Verbesserungen von Verletzungen am unteren Rücken wurden durch Core-Stabilitätstraining belegt (Hibbs et al 2008). Diese Autoren stellen auch fest, dass in der Rehabilitation meist Gelenkstabilitätsübungen, Kontraktionsübungen (sowohl konzentrisch als auch exzentrisch und isometrisch), Gleichgewichtstraining und propriozeptives Training, aber auch plyometrische Übungen und sportspezifische Fähigkeiten trainiert werden (Hibbs et al 2008).

Wenn Stabilisationstraining als therapeutisches Mittel eingesetzt werden soll, kann man in passive und aktive Stabilisation unterteilen (van den Berg & Cabri 2007). Passive Stabilität des Gelenks kann zum Beispiel durch eine Operation wiederhergestellt werden. Eine passive Stabilisierung alleine reicht allerdings nicht aus. Es sollte immer die aktive Stabilität wiederhergestellt werden, damit die Therapie langfristig erfolgreicher ist. In „angewandte Physiologie“ schlagen Van den Berg und Cabri (2007) vor, dass eine solche Therapie isoliertes Training der stabilisierenden Muskulatur, ein Training des Steuerungs- und Kontrollsystems und anschließend die Wiedereingliederung dieser Muskulatur in komplexe Bewegungsmuster als Kernaspekte beinhalten sollte.

Ein wichtiger Fokus in der Rehabilitation liegt je nach Verletzung auch auf der Schulter- oder Kniestabilität.

Schulter

Die Schulter ist ein äußerst komplexes Gelenksystem und zählt als das Beweglichste. Das Schultergelenk ist kaum knöchern geführt, sondern primär durch Weichteile gesichert. Hierbei kann man in aktive und passive Stabilisatoren unterscheiden. Zu den aktiven Stabilisatoren zählen der Musculus deltoideus, die Rotatorenmanschette und der lange Kopf des Musculus biceps brachii (Jerosch, Heisel & Imhoff 2003). Aber auch die Rumpfmuskulatur, insbesondere Teile der oberflächlichen dorsalen Rückenmuskulatur und die lateral und ventral gelegene Thoraxmuskulatur tragen eine wichtige Rolle für die Stabilität aber auch Mobilität bei (Magosch, Scheiderer, Habermeyer & Lichtenberg 2012). Aufgrund der enormen Mobilität des Gelenkes ist eine starke und funktionelle Muskulatur, die dieses sichert, von großer Bedeutung.

Eine gute Schulterhaltung zeichnet sich durch am Brustkorb flachanliegende Schulterblätter aus und bei einer lateralen Ansicht fällt das Lot genau durch die Mitte des Schultergelenks (Kendall, Supplitt & Schierenberg 2009). Abweichungen hiervon, also Fehlstellungen des Schulterblattes oder Schultergelenks, prädispositionieren für Verletzungen und Schmerzen.

Schulterschmerzen können einerseits ihren Ursprung in Verletzungen, andererseits aber auch in einer Dysbalance beziehungsweise in Schwächen der Schulterstabilisierenden Muskulatur haben. Eine Schwäche des unteren Anteils des Trapezmuskels kann sich negativ auf die Bewegung der Scapula auswirken. Da dieser Muskel einer der primären Stabilisatoren des Schultergelenks ist, kann dies eine Schwäche des Gelenks mit sich ziehen. Ebenso ist der Musculus Serratus anterior ein wichtiger Stabilisator um die Scapula in der optimalen Position zu halten (Go & Lee 2016).

Somit ist ein Training dieser auch vor einer schwerwiegenden Verletzung, also mit einem präventiven Ziel im Falle einer Dysbalance sehr sinnvoll.

Knie

Das Kniegelenk ist das größte Gelenk und wird primär bandgesichert, aber auch knöchern und muskulär. Eine Besonderheit hierbei liegt in der Inkongruenz der Gelenksflächen. Das Knie zählt als besonders anfällig für Sportverletzungen (Kenntner, Buhl & Menzel 2006). Die Stabilität des Kniegelenks ist allerdings nicht nur von biomechanischen Faktoren abhängig, sondern auch von der Propriozeptionsfähigkeit und der neuronalen Ansteuerung. Des Weiteren kann eine Instabilität des Knies zu Verletzungen des Gelenks führen (Zhou et al. 2017).

Neben der Bandsicherung ist die muskuläre Sicherung wichtig, besonders wenn eine Verletzung der Bandstrukturen besteht. Eine Kräftigung dieser Muskeln ist durch Stabilisationstraining möglich, häufig wird hierbei auch auf instabilen Untergründen trainiert. Studien haben einen Zusammenhang zwischen muskulärer Schwäche und Einschränkungen in der Aktivität gefunden. Eine schwache Oberschenkelmuskulatur und Beeinträchtigungen der Prozesse der Kniestabilisation führen zu einem instabilen Knie. Zu solchen Schwächen zählen zum Beispiel die varus-valgus Laxidität oder starke Bewegungen, wie eine varus-valgus Bewegung des Knies während Bewegung (Knoop et al. 2013).

Ein Stabilisationstraining für die Knie ist daher bereits sinnvoll, bevor man sich verletzt.

Plagiat?! lieber nicht…

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